Von Ehrlich B, Kempten

 

Mikrovasculäre Komplikationen (MicC) wurden als schwerwiegende Anteile vieler langzeitiger Erkrankungen oder als Endstadien verschiedener Organerkrankungen beschrieben: Retinopathie (1), Neuropathie, Nephropathie (2) z. B. im Gefolge von Diabetes mellitus; Demenz im Gefolge von arterieller Hypertonie, metabolischen Erkrankungen oder unbekannter Vorläufer-Bedingungen; mikrovasculäre Herz-Erkrankungen – möglicherweise einschließlich der diastolischen Dysfunktion. MicC tragen wesentlich zur weltweiten Krankheitslast bei. Die Pulswellen-Analyse (PWA) einschließlich des Augmentationsindex (AIX) bietet einen altersabhängigen volatilen Parameter um die mikrovaskuläre Funktion zu charakterisieren und im Verlauf zu verfolgen - unabhängig von einem Einzelorgan.  

In epidemiologischen Studien wurde eine höhere Prävalenz von Retinopathie, Neuropathie, Nephropathie, Demenz (3) und Herzinsuffizienz in Verbindung mit einer höheren Prävalenz von Magnesiummangel beschrieben. Durch Magnesiumzufuhr wurde ein positiver Einfluss auf Endothel-Dysfunktion nachgewiesen.  

Wir praktizieren in unserer allgemein-internistischen Praxis über fünf Jahren Testaktivität und kontinuierliches Nachverfolgen der mikrovaskulären Funktion: Mit 1229 PWA Tests an 563 Patienten – viele davon über drei bis fünf Jahre nachverfolgt – haben wir viele Fälle mit überhöhtem AIX bezogen auf die altersbezogene Standard-Variationsbreite in Verbindung mit niedrigem Magnesium und erniedrigtem Mg/Ca Quotient gefunden , wobei der letztere möglicherweise sensitiver korreliert.

Wir haben Fälle mit disponierenden Erkrankungen für mikrovaskuläre Komplikationen beobachtet, die dennoch ein auffallend günstiges Gesundheitsresultat (“outcome”) zeigen, welche mit einem besseren AIX und einem höheren Mg/Ca Quotienten einhergingen. Demgegenüber waren ungünstigere mikrovaskuläre Ergebnisse/Komplikationen mit “vorgealtertem” AIX und niedrigem Magnesium verknüpft. Bei einer Reihe hiervon liegt auch eine MRT Bestätigung einer mikrovaskulären Hirn Erkrankung vor und die verminderte cognitive Leistungsbreite im Sinne einer MCI (mild cognitive impairment) resp. Demenz wurde im Uhrtest dokumentiert. 

Wir folgern aus den Beobachtungen, dass akute Phasen einer Magnesium Depletion mit einem Anstieg des AIX einhergehen können welcher durch orale Magnesium Supplementation über Jahre reversible zu sein scheint. Durch Magnesium Infusion konnten wir sogar tageszeitnahe Verbesserungen des AIX finden. Wir erwägen, dass dies ein Hinweis auf diejenigen Patienten sein könnte, welche bei Migräne positiv auf Magnesium Infusion reagieren. Der bedeutsamere Effekt scheint jedoch die langzeitige Verminderung der Volatilität – i.e. die Stabilisierung des AIX auf einem günstigeren Niveau durch Magnesiumzufuhr zu sein.

Einige Patienten reagieren nicht – nicht mehr? – mit AIX selbst bei nachgewiesenem Magnesium Mangel und nachgewiesen erfolgreicher Mg-Supplementation was möglicherweise auf einen “point of no vascular return”  hindeutet.

Wir werfen die Hypothese auf dass die Aufrechterhaltung eines hohen Magnesium-Spiegels – einhergehend mit einem hohen Mg/Ca Quotient – helfen könnte vorzeitiges mikrovaskuläres Altern (EmVA – early microvascular aging) zu hemmen und somit ein präventives Konzept gegen mikrovaskuläre Endstadien-Komplikationen sein könnte.

Somit könnte das Monitoring von AIX mittels PWA und des Magnesium Status mittels Serum Magnesium und Mg/Ca Q nach initialem Checkup oder bei Personen mit Risiken für mikrovaskuläre Erkrankungen eine praktikable Strategie des Testens – Verlaufsbetreuen und Therapierens des mikrovaskulären Alterns sein.

AIX ist ein Kandidat als physiologischer Marker, der langzeitige biochemische Effekte des Magnesiums mit dem mikrovaskulären System verbindet.

Die statistische Aufbereitung der zugrundeliegenden Daten ist in Vorbereitung.

Kempten/Allgäu November 2020

 

 

1) v. Ehrlich et al. Diabetes und Stoffwechsel 2003, 12, 285-289 Enhanced risk for diabetic retinopathy with low serum magnesium – A meta analysis and perspectives of an epidemiological association

2) Del Giorno R. et al. Adv.Ther. 2020, Sept 29. Doi. 10.1007/ss12325-020-01505-9-Online ahead Consequences of supraphysiological dialysate magnesium on arterial stiffness, haemodynamic profile, and endothelial function in haemodialysis: a randomized crossover study followed by a non-controllled follow-up phase  

3) Alam A et al. Nutrients 2020,12,3074 Low Serum Magnesium is Associated with Incident Dementia in the ARIC-NCS Cohort