Nguyen-Duong H.

Univ. Ulm, D-89079 Ulm. Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Die irrtümliche und weitverbreitete Ansicht, dass subjektiver Tinnitus im Innenohr entsteht, stand lange Zeit einer adäquaten Behandlung im Wege. Dessen Fortbestehen nach Trennung des Hörnervs, sowie die Beobachtung dass es bei vielen Patienten auch dann anhält, wenn deren Hörvermögen längst wieder hergestellt ist, sprechen nämlich dafür, dass die damit einhergehenden, „phantomähnlichen“ Wahrnehmungen ihren Ursprung im Gehirn haben müssen; dafür verantwortlich sind – wie man heute weiß - neuroplastische, im auditorischen Cortex ablaufende Reorganisationsprozesse. Ausgelöst werden solche Prozesse durch Schädigungen an den Verbindungsstellen zwischen den inneren Haarzellen (IHZ) und den Dendriten von peripheren Axons des Spiralganglienneurons, die zu frequenzspezifischen Deaffentierungen in der Hörbahn führen. Die hochspezialisierten Sinneszellsynapsen der Hörbahn sind gegenüber ionalen Störungen, die im synaptischen Spalt auftreten, äußerst störanfällig, insbesondere gegenüber Schwankungen der Mgo-Konzentrationen. Normalerweise wird die funktionell bedingte hohe Entladungsrate in den afferenten Neuronen durch die Mg-Blockade der NMDA-Rezeptorenkanäle moduliert. Eine pathologisch, durch herabgesetzte Mg-Ionen-Konzentrationen im synaptischen Spalt resultierende Aufhebung der Mg-Blockade, lässt die Ca-Leitfähigkeit der NMDA-Rezeptorkanäle ansteigen, mit der Folge, dass einerseits die post-synaptische Membran dauerdepolarisiert wird, und andererseits die afferenten Nervenfasern wegen der neurotoxischen Wirkung von extrazellulärem Glutamat langfristig und irreversibel geschädigt werden. Dies führt letztendlich zu einer Deafferentierung auditorischer Bahnen für bestimmte Frequenzbereiche. Wird jedoch die Mg-Konzentration in unmittelbarer Nähe der postsynaptischen Seite der IHZ wieder normalisiert oder die deafferentierten Hörbahnfasern gleich im Anfangsstadium durch lokale Anästhesie blockiert, könnte der Tinnitus gar nicht erst entstehen. Diese neuen Erkenntnisse haben zur Entwicklung mehrerer vielversprechenden, auf einer Modulation der kortikalen tonotopischen Reorganisationsprozesse (Neuroplastizität) basierenden Methoden (wie z.B. die repetitive transkranielle Magnetstimulation und die mit Vagusnerv-Stimulierung kombinierte Beschallung mit ausgewählten Tonfrequenzen) geführt, die eine “Auslöschung” der akustischen “Phantomwahrnehmung” auf corticaler Ebene zum Ziel haben.