von Ehrlich B, Kempten, Deutschland

 

Typische orthopädisch/neurologisch konnotierte Erkrankungen mit ektopen Verkalkungen in Weichteilgeweben werden überwiegend mechanisch, ggf traumatisch chronisch exogen belastungsabhängig erklärt. Die individuelle und gesellschaftliche Krankheitslast der untersuchten Entitäten ist hoch. Teilweise sind schlüssige Erklärungen in der Literatur spärlich. Ein biochemischer Zusammenhang mit Magnesiummangel wird bisher so gut wie nicht wahrgenommen – im Alltag nicht untersucht. Ohne Magnesium würde der menschliche Organismus polytop und vorzeitig verkalken. Ausgehend von einer Kasuistik ausgeprägter chronisch schmerzauslösender Weichteilverkalkung in der Umgebung einer Plattenosteosynthese mit dokumentiertem langjährigen Magnesiummangel wird eine Arbeitshypothese zu einer weit verbreiteten Schmerzursache dystoper Verkalkungen versucht. Hypothese: chronischer systemischer Magnesiummangel begünstigt – im Kontext mit weiteren Ursachen chronisch lokalisiertem mechanischen oder entzündlichen Stress – die Entstehung von schmerzhaften Krankeitsentitäten z.T. „Engpasssyndrome“. Ziel: „proof of concept“ Methodik: Retrospektive Kohorten mit den Diagnosen 1) Verkalkungen im Bandapparat d. Schulter Arm Bereich (SAV), 2) posttraumatische Weichteilverkalkungen (myositis ossificans traumatica) (PTV), 3) Verkalkungen bei Plantarfasciitis (PLF) 4) Spinalkanalstenose (SKS) 5) meningeale Verkalkungen (MV) aus einem Zeitraum bis zu 15 Jahren wurden auf Ihre Assoziation mit mehrjährigem Magnesiummangel untersucht. Alle Patienten aus internistisch hausärztlicher Praxis. Voraussetzung für den Einschluss war die klinische Diagnose – bei PTV und MV jeweils bei SAV und PLF nur partiell Bildgebung mit entsprechendem Verkalkungsbefund. In zweitem Schritte wurden die einzelnen Patienten nach Vorliegen laborchemischer und oder klinischer Kriterien für das Vorliegen eines länger bestehenden Magnesiummangels untersucht. Dabei wurde als chronischer Magnesiummangel (cMMS) kategorisiert, wenn mindestens 2 Laborwerte über einen Zeitraum von 1 Jahr mit Mg-Mangel belegten (Mgs < 0,85 mmol/l oder Mg/Ca (mmol/mmol) ≤ 0,36) und klinische/anamnestische Symptome hinweisend waren. Insges. 6 Fälle mit klinisch + nur ein Laborwert wurden als (cmm) mit als Magnesiummangel-Fälle einbezogen. Ergebnisse: Insgesamt wurden 98 Patienten mit dystopen Verkalkungs-Syndromen extrahiert. Die Ergebnisse sind nach Krankheitsentitäten in Tab 1 wiedergegeben. Neben einem für die verschiedenen Verkalkungsentitäten charakteristischen Anstieg des mittleren Manifestationsalters fällt bei allen Subkohorten eine eindrückliche Minderung des Serum-Mangnesium Leitwertes (niedrigster gemessener Wert i.d.Regel vor Supplementationsempfehlung) und ebenso deutlich pathologisch der Mg/Ca Quotient. 95% der Spinalkanalstenose-Patienten (2/3 Frauen) waren über ein Jahrzehnt dokumentiert Magnesiummangelpatienten, selbstverständlich mit Supplementierungsempfehlung ab Kenntnis. 20/21 dieser Patienten waren klinisch als Magnesiummangelpatienten einzuschätzen. Die Mehrzahl der Patienten war übergewichtig, 1 Patientin untergewichtig. In der Tendenz ist der Verlauf der hoch und compliant erfolgreich supplementierten Patienten günstiger.

Tab 1) Weichteil-Gewebe-Verkalkungs-Syndrome mit gehäufter chronischer Magnesiummangel Assoziation

Tab 1) Soft tissue calcification syndromes frequently associated with chronic magnesium-depletion (cMMS)

Entität

Fallzahl

m/w

Durchschnittl.

Alter

Mit cMMS1

Mgs 2

Mg/Ca s 2

 

N/ (auswertb)

nmale/nfemale

Jahre/years

N=/(%)

mmol/l

mmol/l/mmol/l

Plantarfasciitis

8

4/4

49,3

7/87,5%

0,72

0,309

Schulter-Arm-Sy./ Impingement

69(65) 3

37/32

56,45

53/81,5%

0,76

0,332

Trauma-associated

2

-/2

(57)

2

0,625

0,270

Spinalkanal-

Stenose lumbal

21

7/14

69,04

20/95%

0,718

0,306

Meningeal-Verkalkung4

2

0/2

(60)

2

0,75

0,3075

S

98

   

84/85,7%

   

Normal/

expected

       

≥0,85

≥0,35

1 Magnesiummangelsyndrom (Magnesium depletion) mehrfach (repeatedly)  > 1 Jahr dokumentiert 2 Leitwert = niedrigster gemessener (lowest detected) Serum Magnesium Wert und Mg/Ca Quotient 3 4 Fälle der Kohorte mangels Labordaten nicht auswertbar (lacking lab.data in 4 cases) 4 Wegen der individuellen Krankheitslast narrativ mit erfasste Casuistiken (due to individual disease burden narratively included)

Diskussion: Nach einer Pub Med Recherche finden sich 66 Publikationen zu Magnesium und Weichteilverkalkungen, 62 beim Menschen. (28.9.22). Bis Anfang der 90er Jahre wird auch über therapeutische Erfolge mit hybrider topischer injizierter Magnesiumanwendung plus orale Magnesiumtherapie bei Weichteilverkalkungen berichtet (1 Steidl 1991) Eine Chinesische Arbeitsgruppe um Zeng berichtet in einer ersten epidemiologischen Großstudie (n=1626) über den dosisabhängigen Zusammenhang von Serum Magnesium und erhöhter Prävalenz von Knie Chondrocalcinose (2 C Zeng 2017). Zur biochemische Bedeutung des Mg für Biomineralisation Zhang 2019 (3). Während die Bildgebung von Verkalkungen stark zugenommen hat, ist der Zusammenhang mit Mg Mangel erst in jüngster Zeit durch die große chinesische Kohortenstudien wieder in den Rand des Blickfeldes gerückt. Angesichts der hohen und wohl zunehmenden Prävalenz des Magnesiummangels unter den als „westlich“ conotierten Lebensumständen als chronisches Black Box Phänomen bei spätzeitiger zunehmender Krankheitslast durch dystope Verkalkungen rechtfertigt die Überlegung einer frühzeitigen Magnesium-Prävention die Assoziation Magnesiummangel und dystope Verkalkungs-Krankheiten in den Blick zu nehmen. Nach unserer Kenntnis ist dies die erste Arbeit welche dies mit Blick auf den Magnesium-Langzeitverlauf untersucht.

Die Hereinnahme der meningealen Verkalkungen (MV) mag fremd anmuten. Auslösend ist auch hierfür Physis und Psyche einer Casuistik: Bei einer P. mit langjährigem Magnesiummangel und plausibel assozierten Migränebeschwerden wird anläßlich einer Bildgebung des Hirnes eine Verkalkung im Bereich der Falx gefunden und die DD Meningeom aufgeworfen. Nach Literaturrecherche sind zwischen 20-30% solcher Befunde prognostisch günstig (4 Nakasu 2020) nicht tumorös aber ätiologisch unklar. Bei der Häufigkeit solcher Befunde im Rahmen der stark zugenommen diagostischen CT und MRT Frequenz einerseits, der ausgeprägten psychischen Belastung der Patienten durch solche Befunde andererseits wäre es für die Patienten von hoher Bedeutung einen möglichen – insoweit harmlosen und ggf behandelbaren – Zusammenhang zu kennen. Eine Zusammenhangsanalyse mit Magnesiummangel ist bisher nach pubmed Recherche nicht erfolgt (28.9.22). Einzig Tierversuch bei Waschbären Virginia wurde ein Zusammenhang von derartigen meningealen Verkalkungen und Magnesiummangel beschrieben (5 Hamir AN 2001). Neben der Prävention durch rechtzeitige Optimierung des Mg/Ca Verhältnisses wird die Option parenteraler Magnesiumtherapie als Ansatz für symptomatische Verbesserung aufgeworfen. Auch erwägen wir bei Patienten mit postttraumatischer Osteosynthese in jüngerer Zeit generell die anhaltende Optimierung des Zielparameters Mg/Ca auf nahe 0,4 .

Lit: 1) L. Steidl,R Ditmar Treatmen of soft tissue calcifications with magnesium , Acta Univ.Palacki Olomuc Fa Med 1991 ;130:273-87 2) Chao Zeng et al Dose-response relationship between lower serum magnesium level and higher prevalence of Knee chondrocalcinosis. Arthritis Research &Therapy 2017 19:236 3) J.Zhang et al Dual function of magnesium in bone biomineralisation Advanced Healthcare Materials 2019 1901030 1-12) 4) Nakasu S Nakasu Y Natural history of meningeomas: review with meta-analysis Neurol Med Chir (Tokyo) 2020 Mar 15;60(3):109-120 5) Hamir AN, Hanlon CA, Rupprecht CE Prevalence of psammoma bodies in meninges and chorioid plexuses of raccoons (Procon lotor) from Parramore island Virginia J.Vet Diagn Invest 2001 Jan;13(1):76-9