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Neueste klinische sowie experimentelle Studien sprechen für eine Beteiligung des im ZNS vorherrschenden exzitatorischen Neurotransmitter Glutamat an der Pathogenese des Tinnitus. Folgenreicher als Schädigungen der äußeren Haarzellen (ÄHZ), die sich primär auf einen Kontrollverlust der aktiven, auf die Anwesenheit von Prestin in der basolateralen Membran beruhende Verstärkerfunktion zurückführen lassen, haben sich nämlich Störungen der zwischen den inneren Haarzellen (IHZ) und den peripheren Axonen der Spiralganglioneuronen liegenden Synapsen erwiesen, die in der menschlichen Cochlea aufgrund der bei akustischen Wahrnehmungen erforderlichen höchsten zeitlichen Präzision und schnellsten synaptischen Übertragungsraten viel komplexer konstruiert sind als Kontaktstellen zwischen einfachen Neuronen. Grundlage für diese extreme Spezialisierung ist die Ausstattung der IHZ mit zahlreichen sog. synaptischen Bändern (“synaptic ribbons“), die die Freisetzungsrate der Otoferlin-gesteuerten Neurotransmittervesikeln an den „aktiven Zonen“ um ein vielfaches verstärken. Jede IHZ ist dadurch imstande postsynaptisch hunderte Aktionspotenziale pro Sekunde auszulösen. Der durch die reversible Mg-Blockade der NMDA-Rezeptoren vermittelte Schutz der postsynaptischen Afferenzen gegenüber einer Überstimulation kann jedoch pathologischerweise durch einen ernährungsbedingten, auch relativen Vitamin B6 (Pyridoxin)-Mangel aufgehoben werden, da nach Hemmung der cytosolischen Kynurinase der Abbau der essenziellen Aminosäure Tryptophan auf einen Nebenweg umgeleitet wird, mit der Folge dass zwei Chinolin-Derivate (Xanthurensäure und Kynurensäure) produziert werden, die als starke Chelatoren der rezeptor-assoziierten Mg-Ionen fungieren können. Eine rationale Therapie wäre demnach die Wiederherstellung in unmittelbarer Nähe der postsynaptischen Seite der IHZ von wirksamen Konzentrationen an Mg-Ionen, gegebenenfalls mit Unterstützung moderater Gaben von spezifischen Glutamatrezeptoren-Antagonisten.